Das Investmenthaus Goldman Sachs stufte deutsche Solarfirmen herab, die Branche fordert Schutzzölle und eine „Buy European“-Regelung. Droht eine beispiellose Pleitewelle? Oder ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um antizyklisch einzusteigen? DAS INVESTMENT.com fragte Matthias Fawer (siehe Bild), Vize-Präsident von Sarasin Sustainable Investment.
DAS INVESTMENT.com: Die Angst vor den Dumpingpreisen der chinesischen Konkurrenz wächst. Die deutsche Solarindustrie fordert von Regierung und EU-Kommission Schutzzölle. Ist das sinnvoll?
Matthias Fawer: Das würde die Verlagerung nach Asien nur verzögern, aber nicht aufhalten. Zudem wollen die Europäer ja sicherlich auch vom boomenden asiatischen Solarmarkt profitieren. Wichtiger ist, dass eine globale Solarindustrie entsteht, welche auch ohne Einspeisevergütung wettbewerbsfähig ist. Durch die Erreichung der Netzparität, grüner und ‚normaler‘ Strom haben dann den gleichen Preis, kann weltweit eine enorme Nachfrage nach Solarmodulen auslöst werden.
DAS INVESTMENT.com: Solarworld-Chef Frank Asbeck wünscht sich außerdem eine „Buy European“-Regelung, um sich vor dem Massenimport von Solarmodulen aus China zu schützen. Was halten Sie von diesem Öko-Protektionismus?
Fawer: Ich bezweifle, dass eine solche Regelung viel bringt. Die Europäer sollten sich viel eher über Qualität und Wirkungsgrad ihrer Module abheben. Premiumprodukte erlauben einen höheren Preis. Anderseits untersucht die Bank Sarasin gerade, ob asiatische Solarunternehmen die Umweltgesetzgebung und minimale Sozialstandard einhalten. Dadurch sollen ‚unfaire‘ Kostenvorteile vermieden werden.
DAS INVESTMENT.com: Billig-Konkurrenz aus Asien, Modulschwemme aus den USA und Probleme bei der Finanzierung neuer Projekte. Wie schlimm steht es letztendlich um die Solarindustrie?
Fawer: Wir haben eine Krise, aber keinen Kollaps. Die aktuelle Panikmache ist übertrieben. Wir stehen vor einer Konsolidierung einer sich globalisierenden Solarindustrie.
DAS INVESTMENT.com: Wodurch wurde die Krise ausgelöst?
Fawer: Die Nachfrage nach Solarmodulen und Anlagen ist dramatisch eingebrochen. Grund ist unter anderem die neue Gesetzgebung in Spanien, dem zweitgrößten Solarmarkt Europas. Die Vergütung für Solarstrom wurde gesenkt und die Förderung auf maximal 500 Megawatt pro Jahr gedeckelt. Wegen der Finanzkrise können viele große Projekte zudem nicht mehr finanziert werden. Da die Solarindustrie in den vergangenen Jahren Vollgas gegeben und massiv Kapazitäten ausgebaut hat, gab es riesige Lagermengen, die nun nicht mehr an den Mann gebracht werden konnten. Die Modulpreise sind darum seit September vergangenen Jahres um 30 bis 40 Prozent gefallen.
DAS INVESTMENT.com: Mit anderen Worten: Um zu überleben und Gewinne zu erzielen, müssen die Solarfirmen ihre Kosten drastisch senken. Chinesische Anbieter können das. Sie produzieren bereits rund 30 Prozent günstiger als ihre europäische Konkurrenz. Warum?
Fawer: Sie haben grundsätzlich niedrigere Lohn- und Stromkosten. Die chinesischen Banken sind zudem gut aufgestellt und die Finanzierung der Anlagen dadurch günstiger. Oft bekommen die Firmen das Land sogar gratis.
DAS INVESTMENT.com: Aber auch für europäische Firmen sind die Kosten stark gefallen. Der Spot-Preis, also der aktuelle Marktpreis, des für die Modulproduktion so wichtigen Siliziums ist von enormen 400 US-Dollar pro Tonne auf 60 bis 70 Dollar gerutscht. Warum macht sich das nicht bemerkbar?
Fawer: Die meisten europäischen Unternehmen haben sich mit Langzeitverträgen einen damals günstigen Preis gesichert. Der liegt momentan aber über dem aktuellen Spot-Preis. Leider kommen die Firmen nicht so schnell aus ihren Verträgen heraus. Die Chinesen indes haben auf dem Spot-Markt eingekauft; zuerst zu den hohen Preisen. Jetzt profitieren sie dafür von den niedrigen Preisen. Einige der asiatischen Modul-Hersteller verkaufen aber auch unter ihren effektiven Herstellkosten, um die Konkurrenten zu verdrängen und Marktanteile zu gewinnen. Zumal die Qualität ihrer Module kaum noch schlechter ist als die der europäischen Konkurrenz.
DAS INVESTMENT.com: Viele Fonds, wie etwa das Dickschiff Blackrock New Energy, haben nach dem Kurssturz Ende 2008 bereits Anfang dieses Jahres massiv Solarfirmen verkauft und sind auf Wind umgestiegen. Fondsmanager sind offenbar eher pessimistisch. Wie sehen Sie die Zukunft der Solarbranche?
Fawer: Die Branche wird stark schrumpfen und sich konsolidieren. Es sind noch zu viele kleine, unscheinbare Akteure auf dem Markt. Es wird eine Entwicklung wie in der Halbleiter-Branche geben: 0815-Produkte können einfach günstiger in Asien produziert werden.
DAS INVESTMENT.com: Was bleibt?
Fawer: Für uns in Europa bleiben die Forschung und Entwicklung, Nischenprodukte und der Vertrieb für die lokalen Märkte. Die globalen Player werden sich durchsetzen.
DAS INVESTMENT.com: Sich eine Solaranlage auf das heimische Dach zu setzen, ist nun deutlich billiger geworden. Der Einstiegszeitpunkt ins grüne Energiezeitalter ist günstig. Gilt das auch für Investoren?
Fawer: Mit einem Einstieg sollte man lieber noch warten. Es ist noch sehr viel Unruhe im Solarmarkt. Auf jeden Fall würde ich noch die Wahlen abwarten. Es kann sein, dass die neue Regierung am Erneuerbare-Energien-Gesetz rumschraubt. Das würde erneut für eine gewisse Unsicherheit sorgen.
DAS INVESTMENT.com: Und dann?
Fawer: Ab 2010 sollten Investoren wieder einen Blick wagen. Dann dürften die Märkte wieder anziehen. Interessant sind vor allem Anlagenbauer, welche als erste profitieren können.
DAS INVESTMENT.com: Sie haben erst vor Kurzem die Solarbranche analysiert und Unternehmen herausgefiltert, die diese schwierige Übergangsphase am besten überstehen dürften. Gilt das Ergebnis angesichts der dramatischen Veränderungen noch?
Fawer: Wir überarbeiten unsere Analyse gerade. Solarworld und First Solar werden aber sicher vorne bleiben. Q-Cells und REC hingegen werden auf Kosten einzelner chinesischer Unternehmen wie Suntech Power und Yingli Solar zurückfallen.
Quelle: Das Investment.com
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