Dienstag, 18. Mai 2010

Der grosse Schwindel

Der Ölkonzern BP verursacht derzeit eine der grössten Umweltkatastrophen aller Zeiten. Und seine Aktie findet sich in vielen so genannten Nachhaltigkeitsfonds. Dass es auch anders geht, zeigt das wirtschaftsnahe deutsche Handelsblatt.

Die Weltöffentlichkeit beobachtet am Bildschirm gebannt die Folgen der Ölkatastrophe im Golf vom Mexiko: Die Tier- und Pflanzenwelt stirbt, Fischer bangen um ihre Existenz, Strände werden zu Schlammwüsten. Verantwortlich für das Desaster ist der Ölkonzern BP, der das auch freimütig einräumt.

Der ein oder andere Fondsmanager allerdings scheint kein Fernsehen zu gucken. Nachrichten interessieren ihn nicht. Er werkelt abgeschlossen von der Außenwelt an der Zusammensetzung seiner Fonds. Wie sonst lässt sich erklären, dass sich die Aktie von BP nach wie vor in vielen Nachhaltigkeitsfonds findet - als würde es die schlimmste Umweltkatastrophe in den Weltmeeren seit Generationen gar nicht geben?

Beispiel Dexia. Die Bankengruppe unterhält gleich mehrere Nachhaltigkeitsfonds mit BP-Anteilen. Konsequenzen hat sie bisher nicht gezogen. Die Gesellschaft arbeite an einem Update für den europäischen Energiesektor. Im Juni solle es so weit sein, kündigt Laurent Milliat, Nachhaltigkeitsanalyst von Dexia Asset Management, vage an. "Wenn das fertig ist, werden wir entscheiden, ob wir die BP-Aktie auf unserer Nachhaltigkeitsliste behalten oder sie ausschließen."

Etwas kritischer fällt die Bewertung der Schweizer Privatbank Pictet aus, die sich als Marktführer bei "nachhaltigen Themenfonds" mit einem Volumen von insgesamt mehr als drei Mrd. Euro sieht. Pictet-Experte Christoph Butz spricht immerhin von einem "Dilemma". BP sei im Urteil vieler Nachhaltigkeitsanalysten im Vergleich zu anderen Firmen des Ölsektors immer überdurchschnittlich gut bewertet worden. "Aus diesem Grund sind wir noch mit knapp drei Prozent in BP investiert."

Auch im Fondsmanagement von BNP Investment Partners gibt man sich selbst trotz Millionen Litern ins Meer fließendes Öls entspannt: "Unsere Entscheidungen sind eher langfristig angelegt", sagt ein Fondsmanager. Dexia, Pictet und andere Gesellschaften sind nur die Spitze des Eisbergs. Allein unter den Nachhaltigkeitsfonds mit einer mindestens zweistelligen Millionensumme als Anlagevolumen haben zehn Fondsmanager BP noch nicht aussortiert. Ihr Verhalten wirft einen Schatten auf die gesamte Nachhaltigkeitsbranche, die in den vergangenen Jahren einen regelrechten Hype erlebte. Nach Angaben des Branchenverbandes Eurosif werden inzwischen allein in Europa rund 2,7 Bio. Euro im Sinne "nachhaltiger Ansätze" verwaltet.

Diese Portfolios sollen eigentlich nur Aktien aufnehmen, wenn die Firmen umweltschonend und sozial verantwortlich handeln. Manche Anlagehäuser gehen hier sehr strikt vor, andere allerdings laxer, wie die BP-Beispiele zeigen. Der nachlässigere Ansatz nennt sich im Finanzjargon großspurig "best in class".

Nach üblicher Lesart zählt zu den Klassenbesten, wer in seinem Segment die nach Nachhaltigkeitskriterien noch verträglichste Strategie fährt. Unter den Energieversorgern schneidet BP da ja gut ab. Und so landet die Aktie trotz des Umweltdesasters bei denen im Depot, die nach dem "Best in class"-Ansatz die Zusammensetzung ihrer Fonds bestimmen.

Es geht aber auch anders. Einige Manager nachhaltiger Fonds setzen auf eine striktere Auswahl als der große Rest der Branche. So will etwa Pascal Schuler, Manager des nachhaltigen Fonds der Firma Swisscanto, grundsätzlich nichts mit der Gewinnung fossiler Energieträger zu tun haben. Der Grund: "Der Raubbau fossiler Ressourcen ist absolut nicht nachhaltig. Die aktuelle Umweltkatastrophe zeigt lediglich besonders krass, welche enormen, bisher unterschätzten Risiken diese Art der Ölförderung hat." "Wir haben den gesamten fossilen Energiesektor ausgeschlossen", sagt auch Horst Hamm, Sprecher des Ausschusses für den Natur-Aktien-Index. Er spricht von irreführender Imagewerbung. "BP wirbt mit Beyond Petrol, aber praktisch der gesamte Umsatz wird noch im Ölbereich erzielt", sagt er. "Und Öl ist für uns grundsätzlich nicht nachhaltig."

Quelle: Handelsblatt 18.5.10