Montag, 20. Juni 2011

AnlegerInnen fuer Entwicklungshilfe

Sie sind der neueste Hit der Finanzprodukte: Mikrofinanz-Fonds verbinden ungewöhnliche Renditechancen mit ungewöhnlichen Hürden - und das Angebot ist weit kleiner als allgemeinhin angenommen. Im Überblick der NZZ fehlt auch ein Hinweis auf Oikocredit - eine der etabliertesten Mikrofinanzorganisationen.

Investitionen in Fonds für Mikrokredite sind nichts für ungeduldige Anleger. Wer auf diesem Weg helfen will, sollte vorher seine Liquidität sicherstellen. In der ethischen Erwägung, was man mit seinem Geld tun sollte (zum Beispiel spenden) oder nicht tun sollte (zum Beispiel Zigaretten kaufen und an Kinder verschenken), steht die Anlage in Mikrofinanz-Fonds recht gut da. Diese Vehikel investieren das Kapital in Mikrofinanzinstitute (MFI) wie lokale Banken in Entwicklungsländern, die es als Kredite an Bauern oder kleine Unternehmer weiterreichen. Die Vorstellung, mit der eigenen Geldanlage die Welt ein bisschen zu verbessern, macht diese Fonds zu einer gefragten Anlaufstelle im Feld der «nachhaltigen» Investments. In der Schweiz könnte allerdings etwas mehr Wettbewerb dieser Anlageklasse nicht schaden.

Das einzige in der Schweiz öffentlich zum Vertrieb zugelassene Produkt ist der Global Microfinance Fund von ResponsAbility, einer Anlagegesellschaft aus Zürich. Zwar sind theoretisch auch andere Vehikel erhältlich, aber da ihnen die Schweizer Zulassung fehlt, erfährt kein Anleger in einem Beratungsgespräch davon – es sei denn, er kennt die Fonds bereits und fragt gezielt danach. So existieren zum Beispiel Produkte von Dexia Asset Management sowie vom Investmenthaus Wallberg und vom Fondsanbieter Axxion; sie sind in Luxemburg, Deutschland oder Österreich zugelassen.

Getreu dem Motto «the winner takes it all», wie es ein Branchenbeobachter formuliert, landet also ein Grossteil jenes Kapitals, das Schweizer Retail-Investoren für Mikrokredite zur Verfügung stellen wollen, im Fonds von ResponsAbility. Das Vehikel wurde im Jahr 2003 aufgelegt und besitzt inzwischen ein Volumen von mehr als 500 Mio. $. Im Bereich Mikrofinanz bietet ResponsAbility ausserdem zwei Fonds für institutionelle und qualifizierte Investoren an, ein dritter wird nach Angaben von CEO Klaus Tischhauser gerade aufgebaut. Insgesamt verwaltet ResponsAbility laut Tischhauser rund 1 Mrd. $. In einer ähnlichen Liga wie der Zürcher Fonds spielt mit einem Nettoinventarwert von 522 Mio. $ der Dexia Micro-Credit Fund. Andere Produkte wie der Wallberg Global Microfinance (30 Mio. €) sowie der Axxion Dual Return Fund Vision Microfinance (86 Mio. €) oder Vision Microfinance Local Currency (21 Mio. €) bringen weniger Gewicht auf die Waage.

Wichtiger als die Grösse dürfte natürlich die Rendite sein. Basiswährung der Fonds ist oft Dollar oder Euro, was für Schweizer Investoren gewisse Nachteile mit sich bringt. Der Platzhirsch von ResponsAbility erwirtschaftete nach Kosten in der Franken-Tranche in fünf Jahren 13%; in der Dollar-Tranche waren es 24%. Beim Dexia-Fonds lag die Performance der Franken-Tranche in diesem Zeitraum bei rund 11%, in Dollars kamen 20% zustande. Der Swiss-Performance-Index (SPI) notiert derweil nahezu unverändert, der Dow Jones Industrial kletterte um 9% (ohne Wechselkurseffekt).

Als jährliches Renditeziel wird meist ein Geldmarktzins plus zwei Prozentpunkte
genannt. Die Korrelation von Mikrofinanz-Geldanlagen mit anderen Asset-Klassen ist gering. Deshalb könne es sinnvoll sein, einen kleinen Prozentsatz des Vermögens in diesen Sektor zu investieren, sagt Robert Hauser, Leiter Nachhaltigkeits-Research bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Das Risiko sei wohl grösser als bei einem handelsüblichen Obligationenfonds, aber bisher habe es noch keine namhaften Ausfälle gegeben.

Neben dem Blick auf die Performance gibt es noch andere gewichtige Punkte, die Anleger beachten sollten: Zwar geht es bei Mikrokrediten darum, den Ärmsten zu helfen – aber man selber sollte dafür nicht allzu arm sein. Bei den erwähnten Vehikeln werden Mindestanlagen im wenigstens vierstelligen Bereich verlangt, sei es in Franken, Dollars oder Euro. Die Gesamtkostenquote (TER) liegt bei 1,8% bis 2,6%, hinzu kommen Ausgabeaufschläge von bis zu 4%. Ferner bringt das Mikrofinanzgeschäft Besonderheiten mit sich, zum Beispiel, dass Mikrokredite nicht einfach über Börsen gehandelt werden wie Aktien oder Devisen. Sie werden in einem aufwendigen Verfahren den Empfängern zugeteilt, und die Rückzahlung durchläuft mehrere Stationen, bis sie wieder bei den Fonds ankommt. Abgesehen davon, dass dieser Geldfluss für Anleger nicht immer einfach nachzuvollziehen ist, kann es theoretisch zu einem Investitionsstau kommen, wenn gleichzeitig zu viele Investoren in einen Fonds drängen – oder zu einem Kollaps, wenn sie das Kapital plötzlich abziehen wollen.
Wenig Flexibilität

Um das zu verhindern, sind häufig Ausgabe und Rückgabe von Anteilen nur einmal im Monat erlaubt. Bei ResponsAbility ist die Rücknahme sogar nur zum Quartalsende möglich, bei einer Kündigungsfrist von 45 Tagen. Das sei einerseits mit der Absenz eines Sekundärmarktes für Mikrokredite zu begründen, sagt CEO Tischhauser, andererseits diene es als Mittel, um wirklich langfristige Investoren zu gewinnen. Man habe in der Vergangenheit diskutiert, die Rückgabe flexibler zu gestalten, aber sich dann dagegen entschieden. Durch die Erhöhung der Liquidität sollen nicht die «falschen» Anleger angezogen werden. Typische Investoren in «nachhaltigen» Geldanlagen seien tatsächlich an einem langfristigen Engagement interessiert und weniger um die kurzfristige Liquidität besorgt, sagt ZKB-Analytiker Hauser. Wer aber auf eine gewisse Liquidität im Depot Wert lege, der solle generell bei Mikrofinanz-Fonds wegen den Einschränkungen bei der Rücknahme von Fondsanteilen vorsichtiger sein.

Zuletzt war weniger der Abfluss, sondern der Zufluss ein Problem der Fonds – es fanden sich manchmal zu wenig Interessenten für Mikrokredite, an die das viele Geld hätte weitergereicht werden können. Der Global Microfinance Fund von ResponsAbility stellte deshalb von Mai bis Dezember 2010 die Ausgabe von Anteilen ein. Auch heute sind 21% der Fondsgelder in liquiden Anlagen «parkiert»; langfristig wird ein Anteil von rund 10% angestrebt. Dieses Niveau haben einige der Konkurrenzprodukte bereits erreicht. Anleger sollten sich also des besonderen Charakters der Vehikel und des Marktumfelds bewusst sein, wenn sie sich in dieses wachsende, aber auch mit Konflikten behaftete Investment-Segment (vgl. vom NZZ 11. 2. 11) wagen.

Quelle: NZZ